Alban's Blog

German Interview before concert in Reutlingen

Sorry, I really liked these questions of a young journalist in Reutlingen, a little city South of Stuttgart. He sent them to me by e-mail and I answered them – I thought he was going to edit them or something, but no, he just printed the entire answers like that without changing a word; I was quite impressed, but too lazy to translate them. By the way: in spite of the jet-lag I played rather good Rococo Variations after 18 hours of travelling straight from Texas to Reutlingen. Yes, sometimes it works, but one has to be careful. Voila, the interview:

•          Herr Gerhardt, Sie beschäftigen sich gerne mit Neuer Musik (die südkoreanischen Komponistin Unsuk Chin ist anscheinend gerade dabei, ein Werk für Sie zu schreiben), Sie haben großen Respekt vor Bach – am kommenden Montag werden Sie dem Reutlinger Publikum zwei Werke von Tschaikowsky vorstellen. Wie stehen Sie zu Tschaikowsky? Als jemand, der von sich sagt, dass er am liebsten aus vollem Herzen und aus dem Moment heraus musiziert, müsste er Ihnen eigentlich liegen…?

Gewiß war mir Tchaikovsky imm etwas näher als Bach, da mir der rein emotionale Zugang zu Musik  als junger Mensch mehr zugesagt hat als der etwas reflektiertere, der bei Bach wichtig ist. Das hat sich mittlerweile etwas verschoben, da sich mein Horizont mit den Jahren und der intensiveren Beschäftigung mit Barock und Moderne auf alle Fälle erweitert hat. Allerdings empfinde ich Tchaikovsky weniger offensichtlich und mit Pathos gefüllt als er oft verstanden wird. Selbst seine Symphonien würde ich mir oft differenzierter aufgeführt wünschen; er war ein hochsensibler Mann, dessen Musik nicht auf reine Gefühlsduselei reduziert werden sollte, sondern für mich sind die Zwischentöne mindestens genauso wichtig, insbesondere bei den Rokokovaritionen, die äußerst intim angelegt sind.

 

•          Vor allem die Rokoko-Variationen gehören zu den absoluten Dauerbrennern im Konzertsaal. Bedauern Sie manchmal, dass Sie oft wegen solcher Klassik-Hits angefragt werden, die jeder kennt, und seltener für unbekanntere Werke, die es noch zu entdecken gäbe?

Da ich durch mein CD-label Hyperion die großartige Möglichkeit habe, auch seltener gespielt Werke aufzunehmen und somit einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, stört es mich nicht viel, dass ich auch die Dauerbrenner im Konzert spiele, zumal diese Saison jede Menge von seltener gespielten Werken auch in meinem Konzertkalender auftauchen: Cellokonzerte von Britten (London), Pintscher (Hamburg), Schönberg (Porto), Unsuk Chin (nächsten Sommer in London), Honegger (Siegen und Cardiff), Prokofiev (Darmstadt, Bergen) – ich kann mich ob Vielfalt eigentlich nicht beklagen 

 

•          Im biografischen Teil Ihrer Internetseite schreiben Sie, dass Ihr Kindertraum war, als Orchestermusiker in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten, der Geiger bei den Berliner Philharmonikern ist. Als junger Cellist hat sich Ihnen tatsächlich die Gelegenheit geboten, das zu realisieren. Sie sind aber bewusst und gegen den elterlichen Rat nicht zu dem Vorspiel bei den Philharmonikern gegangen, obwohl Sie wohl Chancen gehabt hätten. Warum haben Sie so entschieden?

Ich liebe es immer noch, im Orchester zu spielen und verehre das Repertoire, gehe auch oft in Konzerte oder nutze die Gelegenheit (wie morgen abend), mich in der zweiten Hälfte eines Konzertes in die Cellogruppe hintenrein zu setzen und die Symphonie mitzuspielen. Allein merkte ich als 21jähriger, dass ich meine Freiheit nicht aufgeben wollte, die Unsicherheit des Selbständigen nicht mit der Sicherheit einer Orchesterposition austauschen wollte, zumal ich als von Natur aus fauler Mensch Angst davor hatte, mich aus Faulheit nicht mehr weiter zu fordern, sobald ich den sicheren Job hätte… Ich hatte einfach Angst, meine Kreativität zu verlieren und mich nur noch „zufrieden“ zurückzulehnen.

 

 

•          Nun bringt das Leben als freier Konzert-Cellist jede Menge Abwechslung und Vielfalt mit sich. Andererseits ist es sicher nicht ganz einfach, sich mental (und physisch) auf die ständig wechselnden Situationen und Anforderungen einzustellen. Wie stellen sich diese Schwierigkeiten/Herausforderungen in Ihrem Alltag konkret dar? Und wie gehen Sie damit um?

Ich habe zum Glück einen hervorragenden Physiotherapeuten gefunden, der meine Haltung verbessert und mich profilaktisch (?) behandelt, da Sie ganz recht haben: der mentale aber auch der physische Stress ist nicht zu verleugnen. Seit ich diesen Menschen vor zwei Jahren gefunden habe, geht es mir physisch so gut wie seit 15 Jahren nicht mehr – ich kann im Flugzeug 12 Stunden hintereinander auf meinem Platz sitzen, ohne Schmerzen zu bekommen oder mich zu langweilen. Ich stelle mich auf neue Situationen immer ohne Probleme ein, kann in jedem Bett der Welt hervorragend schlafen und fühle mich immer da zuhause, wo mein Cello, mein Laptop und mein Buch ist. Psychisch gibt’s natürlich auch gewaltige Anspannungen, das ständige „sich-Hinterfragen-müssen“, die Versagensängste und einfach der Nervendruck in der Vorbereitung und auch im Konzert sind vorhanden, haben sich bei mir aber zum Glück (noch) nicht negativ auf mein Wohlbefinden ausgewirkt. Außerdem habe ich ein äußerst intaktes Umfeld, gute Freunde, eine phantastische Familie und dennoch auch exzellente professionelle Hilfe (Psychologen).

 

•          In Ihren Internet-Aufzeichnungen betonen Sie oft, wie wichtig Ihnen die Familie ist. Sie haben eine Frau, die ebenfalls Künstlerin ist, Jazz-Sängerin, wenn ich es richtig weiß, und einen Sohn, und der Kontakt zu Ihren Eltern liegt Ihnen auch sehr am Herzen. Wie vereinbaren Sie einen solchen Familiensinn mit Ihrem unsteten Künstlerleben?

Vielleicht ist das Künstlerleben unstet, gleichzeitig bin ich aber Herr meiner eigenen Zeit und verbringe im Vergleich zu anderen berufstätigen Menschen mehr „qualitiy time“ mit meiner Familie – ich arbeite meistens wenn ich auf Reisen bin, d.h. da mache ich locker einen 17-Stunden Tag, und wenn ich zuhause in Berlin, lasse ich das Cello Cello sein und bin Vater. Selbst wenn ich 80 Konzerte im Jahr spiele, bin ich ja die restliche Zeit, sprich ca. 180 Tage zuhause, und da reichen dann 3 Stunden des Übens jeden Morgen, d.h. der Rest des Tages kann frei verplant werden.

 

•          Als wichtigen Schritt betonen Sie in Ihren biografischen Angaben die Umsiedlung nach New York. Leben Sie immer noch dort? – und was bedeutet es Ihnen, dort zu leben?

Für meine menschliche Entwicklung war es nicht dumm, 7 Jahre in New York gelebt zu haben, doch bin ich jetzt froh, seit 6 Jahren wieder in meiner Heimatstadt Berlin zu leben – New York finde ich immer noch sehr spannend und inspirierend, aber aus familiären Gründen war es für mich wichtig, zurück zu meinen Wurzeln zu gehen, zumal es für klassische Musik keine bessere Stadt als Berlin gibt mit dieser unglaublichen Vielfalt und herausragender Qualität, was Theater, Oper oder Konzert angeht.

 

•          In Ihrem Blog erzählen Sie von der Faszination, auf Mauritius mit den Delphinen um die Wette zu schwimmen und von einem Segeltörn in der Ostsee, bei dem um ein Haar Ihr Schiff gesunken wäre. Brauchen Sie gelegentlich das Abenteuer als Ausgleich? Braucht es den Nervenkitzel, um die nervliche Anspannung des Konzertlebens auszubalancieren?

Das Schiff ist gesunken, allerdings haben wir es noch bis in den Hafen geschafft. Das Abenteuer als Ausgleich? Das habe ich mich noch nie gefragt – aber ich denke nicht, dass der Nervenkitzel mich reizt: ich liebe die Natur und bin ziemlich sportbegeistert. D.h. Skifahren im Winter tue ich nicht aus Nervenkitzel, sondern aus purer Freude an der Sache. Das gleiche gilt fürs Tauchen oder Segeln. Das wir Leck geschlagen hatten war nicht wegen zu hohem Risikos, sondern wegen einer sehr schlechten Seekarte, die eine Untiefe verantwortungslos nicht eingetragen hatte – ich bin eher ein Feigling der sich niemals in echte Gefahr begeben würde; Bunji-Jumping wäre gar nix für mich 

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