Alban's Blog

Musical Projects auf deutsch

Musical Projects

Nach Konzerten in Spanien kommt man meistens eher spät ins Bett. Zunächst fangen musikalische Veranstaltungen offiziell erst um 20h30 oder sogar 22h30 an, und zwar bestimmt nicht pünktlich, dann sind die Zuhörer und Orchestermitglieder weniger scheu, nach dem Konzert noch mit dem völlig durchgeschwitzten Cellisten (in diesem Falle stand  Prokofiev’s Monster-Cellosinfonie auf dem Programm, also Flüssigkeiten im Ãœberfluss….) über alle möglichen und unmöglichen Dinge zu sprechen, und schlussendlich gibt es insbesondere in Städten am Meer (in meinem Falle La Coruna) großartige Restaurants, in denen dann zu spätester Stunde (ab Mitternacht) noch meeresfrüchtelnde Festmahle mit fröhlich sprudelnder Weinquelle unmöglich vermieden werden können, da man die großzügigen Gastgeber nicht vor den Kopf stossen möchte; nur nebenbei sei erwähnt, dass es gerade diese spätabendlichen kulinarischen Aktivitäten sind, die mich bei Konzertangeboten aus Spanien ohne zu Zögern immer zusagen lassen 🙂
Hinzu kommt, dass die Qualität der Orchester in den letzten Jahren derart gewachsen ist, dass diese sich auch vor verwöhnten deutschen Ohren überhaupt nicht verstecken müssen, ganz im Gegenteil. Selten ertönte die beliebte “Peter-und-der-Wolf”-Blech-Stelle im letzten Satz derart klangschön und präzise wie gestern in La Coruna.
Um 2h20 Uhr fiel ich todmüde nach einem langen Tag (vormittags hatte ich noch im 80km entfernten Santiago de Compostela eine fünfstündige Masterclass gegeben) ins Bett, nur um drei Stunden später schon wieder aufstehen zu dürfen, für den Flieger, der mich in Herrgottsfrühe zurück in die Heimat fliegen sollte – was tut man nicht alles, um mit dem einzigen Sohn noch am Nachmittag ins Kino gehen zu können.

Auf dem Zwischenstop in Madrid fand ich noch schnell die Zeit, einen Fragenkatalog des Orchestre Suisse Romande aus Genf via E-Mail zu beantworten. Frage Nr.11 hatte es mir besonders angetan: One musical project.  Ich würde am liebsten das Wort “Projekt” zum Unwort im Zusammenhang mit Musik erklären. An dem Wort per se ist ja nichts auszusetzen, allein was sich dahinter verbirgt ist oft derart vordergründiges Interessantmachen ansonsten oft völlig uninteressanter Musiker, die es nicht schaffen, in der Musik etwas auszusagen, es nun aber mit Hilfe einer meist ziemlich unsubtilen Geschichte wett zu machen versuchen, so dass auch ein Tauber versteht, mit welch’ außerordentlichem musikalischen Genie er es zu tun hat.

Für mich ist dies ein weiterer Beweis dafür, wie sehr die klassische-Musik-Szene versucht, sich sehr zu ihrem Nachteil an der Pop-Szene zu orientieren, wo ja die Verpackung weit mehr zählt als irgendeine musikalische Aussage, was aber dort wenigstens offen zugestanden wird, während bei “uns” dem ahnungslosen Publikum ein tieferer Sinn vorgeheuchelt wird, wo eigentlich nur gähnende Leere klafft.  Di selbst ernannten “Macher” glauben damit die klassische Musik zu retten, und eine Projekt- und somit in gewisser Weise auch Eventgeilheit des allgemeinen Klassikpublikums kann man bei bestem Willen nicht verleugnen. Frage bleibt nur, ob die Musik dadurch gerettet wird oder eher auf der Strecke bleibt. Steigende CD-Verkaufszahlen gehen einher mit einer schleichende Verkümmerung der subtileren Hör- und Rezeptionsfähigkeit. Wie man dem entgegen arbeiten kann? Projekte mit musikalischem Inhalt? Gute Idee, ich werde mal über so ein Projekt nach zu denken beginnen, und wenn ich was gefunden habe, melde ich mich wieder 🙂

Comments

  • Berthold Hamburger

    Viele Grüße aus La Coruña! Wir haben Dein wunderschönes Spiel und vor allem auch Deine zwar kurze, aber umso erfolgreichere Mitgliedschaft in unserer Cellogruppe sehr genossen ;-). Bis zum nächsten Mal!
    Alles Gute
    Berthold Hamburger

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  • Regula

    Hi Alban
    (being Swiss-German and no acquaintance, I should probably start “Sehr geehrter Herr Gerhardt” – but that just doesn’t sound right in the context of your lively blog!) –

    Apart from your wonderful playing, I really like your concern with general musical education. My own upcoming “musical project” is to take my little daughter to your Schumann concerto in Geneva next month. Anna Sofia is 8 1/2 years old and a big fan thanks to Youtube – “Putzen!” (as you called it in a TV interview) has become our catchword when she has to be careful with her fourth position, and watching “an Alban Gerhardt film” really motivates her practicing!
    She has made a calendar to tick off the days until the great event – so we really hope that you are not above signing CDs in the intermission. It would certainly be a huge inspiration to one little girl’s “Hausmusik”. I look forward very much to hearing you live.

    All the best,
    Regula (from Basel)

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