Alban's Blog

Category: Fragen & Antworten

Ãœbst Du gerne?

Als Teenager und von Natur aus faules Stück mochte ich es nur wenig, um nicht zu sagen, ich hasste das Üben. Heutzutage ist es das größte Vergnügen, da ich mich dann wirklich auf eine einzige Sache konzentrieren kann. Kein Telefon, kein Computer mit E-Mail, kein sogenanntest „multi-tasking“, sondern nur das Cello, ich und die Musik. Es ist beinahe wie eine Flucht vor den übrigen Aufgaben, die eine Karriere mit sich bringt. Ich liebe es, neue Werke zu erlernen, und auch das Wiedererlernen von Stücken, die man schon hundertmal gespielt hat, stellt eine grosse Herausforderung dar. Je öfter ich ein Stück intensiv übe, desto tiefer kann ich es empfinden, desto mehr verstehe ich es und erkenne Möglichkeiten, die mir vorher unsichtbar waren, doch so wie alles im Leben, erreicht man die letzten paar Prozent der Vollendung nie und sie schmerzen sehr.

Wieviel übst Du?

Im Durchschnitt nicht so viel, weil mit all der Arbeit neben dem Cellospielen (Telefonieren, Korrespondenzen erledigen, E-Mails beantworten, Sportresultate herausfinden, Reisen buchen, mit Frau und Kind spielen) an manchen Tagen gar keine Zeit fürs Cello herausspringt, doch an manchen Tagen bringe ich es trotz Stress auf sechs, sieben Stunden. Mein Durchschnitt liegt bei ungefähr drei Stunden pro Tag. Als Student hatte ich mehr Zeit und hatte es auch noch mehr nötig, viele Stunden zu üben….

Was würdest Du gerne am Musikgeschäft ändern?

Ich würde gerne eine grössere Bescheidenheit gegenüber der Musik in diesem Geschäft, welches nicht einmal so genannt werden sollte, sehen. Es gibt zu viele Veranstalter, Manager und Musiker, die zuerallererst an den Profit und dann an die Musik denken (wenn überhaupt). Für meinen Geschmack ist das alles ein wenig zu “honorarorientiert” geworden, anstatt dass wir einfach erst einmal versuchen, unsere Existenz als Musiker zu rechtfertigen. Ausserdem denke ich, dass zu wenige dieser Künstler, deren Manager und die Konzertveranstalter erkennen, dass wir mit jenem snobistischen Zugang zur Musik (“wir sind etwas besser als alle anderen, unsere Musik ist mehr wert als jede Popmusik”) das jüngere Publikum nicht erreichen, und viele, die es dennoch versuchen, benutzen billige Tricks. Ich zum Beispiel versuche mit relativ einfachen Mitteln Kontakt mit der jüngeren Generation zu erlangen, wo immer ich spiele. Wie? Ich biete mich an, an Schulen zu gehen und dort zu zeigen, dass die sogenannte “Klassische” Musik etwas sehr lebendiges ist, dass man sie geniessen kann ohne jemals etwas darüber gelernt zu haben, und das wir Musiker genauso witzig, jung, sport- und popfanatisch sind wie sie selber.

Was genau ist das, Dein „Schulprojekt“? Und wofür soll das gut sein?

Eigentlich hasse ich das Wort “Projekt”, deshalb ziehe ich es auch vor, es bestenfalls als “Engagement an Schulen” zu bezeichnen. Bei meinen ersten Auftritten in Amerika war ich dazu verdonnert, sogenannte residencies zu machen, d.h. an Schulen zu gehen und dort ein bisschen die klassische Musik zu vermitteln. Zunächst saß ich auf allzu hohem Rosse und habe es eher widerwillig mitgemacht, doch bereits nach dem zweiten Mal mußte ich feststellen, dass dies nicht nur wichtig ist, und zwar um kurzfristig einfach eine Halle am Abend mit viel mehr jungen Menschen füllen zu können, sondern dass es mir auch Spass macht und mich sehr befriedigt. Sofort bekam meine Managerin den Auftrag, dies auch in Deutschland umsonst anzubieten, wo immer ich auch spielen würde. Da ich nicht gut im Verkaufen bin, konnte ich es damals nicht so gut vermitteln, doch heute versuche ich so oft wie möglich an Schulen zu gehen, und zwar auf weitaus aggressivere Art und Weise; ich überlasse es nicht mehr den armen Managern, sondern gehe diverse Schulräte direkt an – um was genau zu tun?

Sehr inprätentiös und einfach: Ich setze mich vor 30 bis 50 Schüler und spiele zunächst etwas solo Bach. Gefährlich? Die verstünden das nicht? Das Gegenteil ist der Fall: Kinder mögen das meistens mehr als alle Paganinis, Kodalys, Ligetis und was es sonst so an spektakulärer Sololiteratur gibt. Danach erzähl ich etwas über mich, ermutige sie zu Fragen, beantworte bereitwillig alles, spiele dann wieder etwas und durchbreche so langsam das Eis, die Wand, die zwischen der Jugend und der sogenannten Klassik steht.

Ein Junge fragte mich einmal, warum ich das denn machen würde. Ich hatte darüber nie richtig reflektiert, außer das ich das Gefühl hatte, etwas Gutes damit zu tun. Aber warum gut? Um einen Saal zu füllen? Nach kurzem Stutzen merkte ich, wie wichtig die Musik und die Beschäftigung mit einem Instrument für mich als junger Mensch war. Mir fielen Dinge in der Schule plötzlich viel leichter, ich konnte mich besser als meine Mitschüler konzentrieren, wurde selbstbewußter, lernte über die Musik meine Gefühle zu erkennen, kurz: ich hatte mehr von meinem Leben. Es geht mir gar nicht darum, Nachwuchsmusiker zu fördern, sondern ich denke, dass jedes Kind ein Instrument spielen sollte, weil es seiner Entwicklung förderlich ist. Ich habe so viele erfolgreiche Ärzte, Rechtsanwälte, Wissenschaftler und Journalisten kennengelernt, die alle mit großem Enthusiasmus und unterschiedlichster Begabung Instrumente spielen. Ich fühle mich nicht unbedingt intelligenter als andere, aber ich bin jetzt intelligenter als ich es ohne Instrument geworden wäre.