Alban's Blog

German article about “Cello” in a classical music magazin

Zunächst muss ich gestehen, dass ich kein besonders großer Cellofan bin. Weder habe ich viele Cello-CD’s noch spreche ich gerne übers Cello an sich. Für mich ist es vielmehr Mittel zum Zweck, und dieser heiligt bekanntermaßen die Mittel. Der Zweck? Musikmachen, und zwar so oft, impulsiv, intensiv wie nur möglich. Wenn ich jetzt über die Gründe der Cellobegeisterung spreche, sehe ich mich also in gewisser Weise als Außenstehender, da ich mich außer beim Üben wenig mit dem Instrument beschäftige.Für mich und auch viele andere Kinder meiner Generation hatte an allererster Stelle Mstislaw Rostropovich die größte Sogwirkung. Er hat das Cellospiel auf ein anderes Niveau gehoben, hat bewiesen, dass Cello ebenso intonationsrein wie eine Geige gespielt werden kann, ohne dabei auf eine gewisse Extrovertiertheit und das in der klassischen Musik so wichtige spontane und dadurch riskante Element zu verzichten. Plötzlich war ein Cello auch bis in die letzte Reihe von großen Sälen hörbar, sowohl was das Akustische als auch die Ausstrahlung angeht. Er hat so die Erwartungen, die an einen Cellisten erhoben werden, erhöht.

Und wie kein anderer hat er, und das ist vielleicht sogar sein größter Verdienst, die Erweiterung des Repertoires vorangetrieben. Anders als Casals und Feuermann, die beiden wichtigsten Cellisten vor Rostropovich, hatte er keine Scheu vor ganz neuer Musik, hat über 200 Werke nicht nur aus der Taufe gehoben sondern die besten davon auch über Jahrzehnte protegiert und etabliert. Ihn Ende der 70er Jahre mit den Berliner Philharmonikern unter Karajan mit Don Quixotte und den Rokoko-Variationen erlebt zu haben, gehört zu meinen Schlüsselerlebnissen und Inspirationen, Cellist werden zu wollen.

Das Cello ist mit seiner Wärme und dem der menschlichen Stimme ähnlichen Tonumfang eigentlich prädestiniert als „Lieblingsinstrument“, für Hörer sowie Spieler. Der Anfangsunterricht ist durch die natürlichere Haltung weit weniger frustrierend als bei der Geige, die in den ersten Monaten für alle Beteiligten oft nur quietschend und kratzend zu erleben ist. Beim Cello hat eine leere Saite sofort viel mehr Klangqualität. Einziges Manko war nur, dass es als Soloinstrument etwas mitleidig wegen seines durchsetzungsschwachen Klanges und begrenzten Repertoires angesehen wurde – Rostropovich took care of that!

Natürlich hatte Rostromania auch seine negativen Nebenwirkungen: Durch seine enorme Persönlichkeit und Charisma hat er viele nicht nur zum Cellospielen sondern auch zur direkten Nachahmung inspiriert. Leider sind Imitate eben nicht das Original, und im Falle von Rostropovich, dessen Interpretationen derart persönlich waren, dass manche den Komponisten nicht mehr zu erkennen glaubten, wurden die von schwächeren Persönlichkeiten gewagten Imitationsversuche oft zu karikaturhaft entstellten Gebilden, die mit dem Original des Komponisten so ganz und gar nichts mehr zu tun haben (siehe: Tempo des Schumanncellokonzertes, das Rostropovich mit Bernstein halbiert hat, wovon wir uns bis heute nicht erholt haben).

Wie erlernen wir Sprache? Wir imitieren zu Beginn unsere Eltern, entwickeln dann aber ziemlich schnell unser eigenes Sprachgefühl, finden unsere eigene Stimme. Das Problem von uns Cellisten und Interpreten generell besteht heute darin, dass wir auch wegen der dominanten Präsenz von „Referenzaufnahmen“ – Tonträgern, die uns „die Richtung weisen“, die oft leider den Prozess der Interpretationssuche vereinfachen bzw. verstümmeln (einige Lehrer empfehlen ihren Studenten tatsächlich Aufnahmen, von denen sie die Interpretation einfach abgucken sollen) – unsere Energien in zu geringem Maße darauf verwenden, die eigene Stimme zu finden.

Wir müssen nicht unbedingt alles anders machen als je zuvor interpretiert, aber wir sollten zu dem, was wir unserem Publikum verkaufen, aus eigener Kraft und Inspiration gekommen sein, und nicht durch perfektes Farbkopieren. Der kreative Prozess, bei Rostropovich so überdeutlich sichtbar, muss an jedem Konzertabend und an jedem Produktionstag stattfinden. Mehr als andere Instrumentalisten schliessen wir uns Leuchtfiguren an und vergessen dabei, selber zu Originalen werden zu müssen . Und dies mag dazu beitragen, dass es auf der einen Seite zwar sehr viele Cellisten gibt, aber nicht unbedingt viel mehr Aufführungen, in denen ein Cello solistisch betätigt ist.

Und während unser Bundespräsident zu größerer Werktreue im Theater aufruft, so würde ich für die Klassische Musik beinahe hoffen, dass wir uns mehr Originalität im Sinne von Gustav Mahler zutrauen, der als Dirigent eigene Versionen von Beethovensinfonien verfertigte, um seinen Interpretationen nachzuhelfen – mehr Mut zum Risiko, mehr Experimentierfreude und Lust an der Musik.

Oops, das hat mit Cello nun so gar nichts mehr zu tun, aber ich habe ja schon eingangs gewarnt, dass es mir im Endeffekt ohnehin nicht ums Instrument an sich geht, sondern um etwas viel Schöneres ?

Comments

  • rainer Knippschild

    Lieber Gerhardt,
    Dem, was sie ausführen, kann man nur zustimmen. Ich hatte das außerordentliche Vergnügen, Rostropovich in den 90iger Jahren des vergangenen Jahrhundert im Teatro Colon in Buenos Aires mit den Rokoko-Variationen zu erleben. Das Cello ist ein tief persönliches Instrument, man muss es schon wollen und mögen.
    Das erinnert mich an meine Mutter vor 60 Jahren: “Mir ist egal was du spielen willst Junge, Klavier, Cello, oder Geige. Ich rate dir zur Geige, die trägt sich leichter. Wie recht sie hatte.
    Wer heute mit dem Cello fliegen muss, erlebt ja gelegentlich die unangenehmsten Dinge. Und dann ist da ja auch noch der deutsche Zoll, der schon mal eine Guarneri del Gesu am Flughafen Frankfurt konfisziert!!!
    Es sind auch diese Dinge, die mich zu Elgar und Bach leiten, wenn, ja wenn Cello gespielt wird.
    Ganz liebe Grüße, Rainer Knippschild

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  • Dieter

    Was will uns der Autor damit sagen? Über das bloße Kopieren von Interpretationen braucht man sich nicht zu unterhalten, da sind wir uns wohl alle einig. Doch heute gibt es zu viele, die sich wohl nicht mehr intensiv genug mit einem Werk auseinanderzusetzen scheinen – und exakt das hört man. Es reicht nicht, die Werke technisch zu beherrschen und spontan zu musizieren. Deswegen werden viele Konzertaufführungen zwar ganz nett, aber nicht wirklich zu einer prägenden Konzerterfahrung – vielleicht mag auch die “Arroganz” der Solisten ein Grund sein, zu glauben, dieses oder jenes Werk schon 100 Mal gespielt zu haben reicht, ohne sich erneut gründlich darauf vorzubereiten.
    Es gibt heute technisch nahezu vollkommene Cellisten, aber immer weniger Musiker und letzteres halte ich für bedeutsamer.

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  • Alban Gerhardt Post author

    Hallo Dieter, das ist ja genau, was ich damit sagen will, und in der Tat müssen wir uns über das “bloße Kopieren” von Interpretationen unterhalten, da dies zur Hauptsache passiert und nicht wirklich darüber gesprochen wird. Ganz im Gegenteil habe ich an eigenem Leibe erfahren dürfen, dass, wenn ich es wage, etwas näher an gewissen Vorgaben der Komponisten zu bleiben, ich von der Kritik dafür gescholten werde, da sie es nicht gewohnt sind und es für fehlerhaft halten. Es geht überhaupt nicht um die Arroganz von Solisten, sich nicht für jedes Konzert gut vorzubereiten sondern um Interpretationstraditionen, mit denen zu brechen anscheinend sehr schwierig zu sein scheint. Und natürlich haben Sie recht, dass es immer mehr “Fachidioten” und immer weniger Musiker gibt, aber das ist glaube ich überall so…

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